Eine neue Forschung­skul­tur in der Be­trieb­swirtschaftslehre etablier­en

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Ein Beitrag der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste zu Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane

Kaum jemand kennt sich besser mit Steuern und ihren betriebswirtschaftlichen Folgen aus als Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane. Die stellvertretende Sekretarin der Klasse für Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften hat viele Ideen für das Steuersystem und eine Vision für die wissenschaftliche Arbeit in ihrem Fach.

Bei der Erstellung ihrer Steuererklärung geht es Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane wie den meisten Steuerzahler*innen. „Ich zahle ja gerne Steuern, aber es gibt nur wenige Tage im Jahr, an denen ich so schlechte Laune habe“, gesteht die Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Paderborn. Vielleicht ist es also auch ein klein wenig Eigennutz, der die Expertin antreibt, Lösungen für dieses Problem zu finden.

„Ein Steuersystem sollte einfach sein“, erklärt sie. Steuerkomplexität, und dazu zählt auch das zeit- und nervenraubende Erstellen einer Steuererklärung, sei ein Problem. Das gilt für den Einzelnen genau wie für Unternehmen, mit deren Besteuerung sich die Expertin vor allem befasst. Steuerkomplexität könne sich schädlich auf deren Bereitschaft auswirken, Risiken einzugehen. Unternehmen könnten sich also davor scheuen, bestimmte innovative Investitionen zu tätigen. Darüber hinaus könne Steuerkomplexität auch dazu führen, dass Menschen Steuergesetze unbeabsichtigt oder vorsätzlich nicht befolgen.

All das sind unerwünschte Wirkungen eines Steuersystems. Wie man diesen entgegenwirken kann, damit beschäftigt sich die Professorin. „In vielen Bereichen bekommen wir die Komplexität nicht raus“, sagt sie. Der internationale Vergleich, und hier liegt Deutschland im Mittelfeld, zeige aber, dass man etwa in den steueradministrativen Prozessen viel tun könne. Caren Sureth-Sloane nennt Estland mit seiner fast vollständig digitalisierten Verwaltung als Vorbild. „Dort sind die Steuerformulare mit aktuellen Zahlen alle vorausgefüllt. In den allermeisten Fällen lassen sich die Steuerangelegenheiten mit einem Klick erledigen“, schwärmt die Betriebswirtin.

Mitglied der Pandemiekommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Doch warum ist es wichtig, dass ein Steuersystem gut funktioniert und es möglichst wenig unerwünschte Wirkungen gibt? Um besonders hohe Steuereinnahmen geht es dabei laut Caren Sureth-Sloane nicht, jedenfalls nicht in erster Linie. ‚Gut funktioniert‘ bedeutet, dass es Rahmenbedingungen schafft, die zur sozialen Gerechtigkeit beitragen und gleichzeitig die Wirtschaft stärken. Dies führt dann zu guten Einkommen und gutem Befolgungsverhalten und damit zu angemessenen Steuereinnahmen. In einer Krise, wie der Corona-Pandemie, kann ein gutes Steuersystem auch dazu beitragen, unverschuldet vorübergehend in Not geratene Unternehmen am Markt zu halten.

Caren Sureth-Sloane war Mitglied der Pandemiekommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie gehörte zu den Fachleuten, die sich für eine Ausweitung des Verlustrücktrags aussprachen. Verlustrücktrag bedeutet, dass Unternehmen Verluste mit bereits in der Vergangenheit versteuerten Gewinnen verrechnen können. Sie erhalten eine Liquiditätsspritze, die sie sonst erst irgendwann in der Zukunft bekämen. Den Verlustrücktrag gab es auch schon vor der Pandemie. Allerdings durften Unternehmen ihre Verluste nur mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnen und der Betrag war limitiert. „Unser Vorschlag war, den Zeitraum zu verlängern und den Betrag zu erhöhen“, erklärt die Professorin.

Die Politik folgte dem Vorschlag, kassierte ihn nach der Pandemie aber wieder ein. Die Expertin bedauert das. Aus ihrer Sicht ist das Instrument auch außerhalb der Pandemie sinnvoll. Doch die Politik hört nicht immer auf die Empfehlungen der Wissenschaft. Grundsätzlich ist das laut Caren Sureth-Sloane auch in Ordnung. Schließlich gilt es in der Politik, verschiedene Interessen abzuwägen und am Ende gesellschaftlich konsensfähige Lösungen zu finden. Was die Betriebswirtin freut, ist, dass die Bereitschaft von Politik und Wissenschaft miteinander zu sprechen seit Corona größer geworden ist. Gleichzeitig weiß sie, dass diese Zusammenarbeit Forschende vor Herausforderungen stellt. „Wir sind darauf geeicht, gründlich und deshalb langsam zu arbeiten“, erklärt sie. „In der Pandemie gab es einen unmittelbaren Handlungsdruck. Wir mussten Antworten geben, auch wenn wir uns aufgrund der wenigen verfügbaren Daten noch nicht sicher sein konnten.“

Sprecherin des ersten rein betriebswirtschaftlichen Sonderforschungsbereichs

Schnell fundierte und relevante Erkenntnisse zu liefern, ist für Einzelforschende eine besondere Herausforderung. Einfacher wird es, wenn man gemeinsam im Verbund forscht. So wie Caren Sureth-Sloane und ihre Kolleg*innen vom Sonderforschungsbereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Transparency“. Die Steuerforscherin ist Sprecherin des TRR 266, in dem über 100 Wissenschaftler*innen an sinnvollen Regeln zur Unternehmenstransparenz und für ein transparentes Steuersystem forschen. Es ist der erste rein betriebswirtschaftliche SFB und er ist nicht nur wegen seiner Inhalte revolutionär. „Wir konnten eine Forschungskultur etablieren, die es in unserem Fach vorher so nicht gab“, sagt Caren Sureth-Sloane. Während in der Betriebswirtschaft bislang die Einzelkämpfer*innen dominierten, arbeiten in dem SFB Forschende aus verschiedenen Bereichen zusammen. Es gibt zudem ein eigenes Projekt zur Wissenschaftskommunikation und „wir haben uns verpflichtet, unsere Daten der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen“, sagt die Professorin.

Was für den Einzelnen sehr aufwendig ist, etwa seine Jahre lang gesammelten Daten so aufzubereiten und dann freizugeben, dass andere damit weiterarbeiten können, oder hochkomplexe Forschungsergebnisse so darzustellen, dass auch Menschen jenseits der Wissenschaft neugierig werden und sich damit auseinandersetzen, ist laut Caren Sureth-Sloane für eine Gruppe machbar. Dadurch würden für die Forschung auch neue Möglichkeiten entstehen, die den Erkenntnisfortschritt beschleunigten, aber auch dazu dienten, dass die öffentliche Debatte besser informiert geführt werden könne. Die Betriebswirtin will diese Kultur weiterführen, auch wenn der SFB in spätestens sieben Jahren ausläuft. Eine führende Rolle müsse sie dabei dann nicht spielen. Viel lieber würde sie eine Gruppe von jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern coachen, sich auf diesen Weg zu machen. Das ist ihre Vision, an der sie auch in ihrem kommenden Forschungssemester weiterarbeiten will.

 

Das Porträt zu Prof. Dr. Sureth-Sloane wurde im Auftrag der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste erstellt und ist dort erschienen.

Foto: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste / Engel-Albustin 2024

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane

Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre

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