Wei­t­er­bildung in der Kur­z­arbeit: Stud­ie von Prof. Dr. Mar­tin Schneider und Dr. Jo­hanna Flore ver­deut­licht Po­ten­zi­al

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Der WDR stellte in seiner Fernsehsendung „Lokalzeit OWL“ die Studie zur Weiterbildung in der Kurzarbeit mit einem Beitrag von Prof. Dr. Martin Schneider am 21. August 2019 vor.
Martin Schneider sagte darin: „In der Krise ist es ohnehin schwierig, natürlich einen anderen Arbeitgeber zu finden. Aber wir haben tatsächlich auch festgestellt, dass die emotionale Bindung sich dadurch verstärkt hat. Also viele haben das wirklich auch als Geschenk wahrgenommen oder als Chance, sich weiterzubilden.“
Der abschließende Kommentar vonseiten des WDR: „Die Studie stützt damit aktuelle Pläne des Bundesarbeitsministeriums. Dort hatte man angeregt, Kurzarbeit stärker für die Weiterbildung der Mitarbeiter zu nutzen.“

In der WDR-Mediathek ist der Beitrag bis zum 28. August 2019 unter folgendem Link verfügbar:
https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit-ostwestfalen-lippe/video-kompakt-31270.html, s. Rubrik „Kompakt“ (ab 00:11:13)

Wortlaut der Pressemitteilung vom 20.08.2019:

Weiterbildung in der Kurzarbeit

Mit Weiterbildung in der Kurzarbeit gegen die Beschäftigungskrise: Aktuelle Studie der Universität Paderborn verdeutlicht Potenzial

Während viele Unternehmen einen Personalabbau ankündigen, möchte die Politik Kurzarbeit in Verbindung mit Weiterbildung großzügig fördern. Eine jüngst veröffentlichte wirtschaftswissenschaftliche Studie der Universität Paderborn verdeutlicht nun das Potenzial dieser Idee und stellt ein Programm mit Modellcharakter für aktuelle Beschäftigungskrisen vor.

Prof. Dr. Martin Schneider, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Personalwirtschaft, und Dr. Johanna Flore, ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität, untersuchten für ihre Studie eine Firma, die nach starkem Umsatzrückgang im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen in der Krise vor zehn Jahren gänzlich auf Entlassungen verzichtete. Stattdessen bot sie ihren Kurzarbeitenden hunderte hausinterne Kurse an. Die Kosten dafür trug das Unternehmen, das bei diesem Vorhaben mit Subventionen der Arbeitsagentur unterstützt wurde. „Das Programm kann als Modell für die aktuell anbrechende Beschäftigungskrise dienen“, sagt Schneider.

„In Dänemark werden Arbeitnehmer entlassen und durch Trainings dann wieder beschäftigungsfähig gemacht. Das nennt man „Flexicurity“, die Kombination aus Flexibilität und Sicherheit. Mit der deutschen Kombination von Kurzarbeit und Weiterbildung kann man etwas Ähnliches erreichen, ohne dass die Beschäftigten sich einen Job suchen müssen“, erklärt Schneider. Unternehmen könnten so die Fachkräfte, die sie nach der Krise ohnehin wieder dringend brauchen, gleich im Unternehmen halten und für die kommenden Aufgaben fit machen. Für die aktuelle Krise müssten Unternehmen und Arbeitsagenturen ein solches Modell allerdings weiterentwickeln, erklärt der Paderborner Wissenschaftler: „In dem untersuchten Unternehmen gab es eine Konjunkturkrise. Die Firmen heute müssen die Digitalisierung meistern oder, wie z. B. in der Automobilindustrie, den Übergang zu Elektrofahrzeugen. Dafür müssen dann langfristigere Programme her.“

Weiterbildungen binden Mitarbeiter stärker an Unternehmen

Die beiden Forscher befragten im Jahr 2010, direkt nach dem Weiterbildungsprogramm des untersuchten Unternehmens, die dortigen Beschäftigten und erhoben Daten über die Verbundenheit der Beschäftigten mit der Firma. Dabei blieb ein Nachteil, den Arbeitgeber fürchten, wenn sie Weiterbildung anbieten, bei diesem Programm aus: „Die Beschäftigten, die sich weitergebildet haben, fühlten sich tendenziell besser an das Unternehmen gebunden als die Nichtteilnehmer und das, obwohl viele der Trainings die Mitarbeiter auch für andere Unternehmen interessant gemacht haben“, so die Autoren der Studie.

Insgesamt nahmen knapp 800 Beschäftigte an der Befragung teil, wovon sich die Hälfte am Programm beteiligte. Wichtig für die Bindung an das Unternehmen sei auch die Art der vermittelten Kompetenzen gewesen. So sollen sich die Mitarbeiter dem Unternehmen besonders verpflichtet und verbunden gefühlt gehaben, wenn sie das Training als Unterstützung für ihren täglichen Job empfanden und sie die vermittelten Kompetenzen auch privat verwenden konnten: „Das Unternehmen bot auch Kurse wie Schweißen oder Fremdsprachen an, die die Beschäftigten auch außerhalb des Jobs gut gebrauchen konnten“, erklärt Schneider.

Das Programm sei auch deshalb bemerkenswert, weil es Beschäftigte in Weiterbildungskurse brachte, die derartige Trainingsangebote oft nicht wahrnahmen, schildert Schneider: „Zwei Drittel der Teilnehmer waren in der Produktion tätig. Auch ältere Beschäftigte und solche mit weniger hohen formalen Bildungsabschlüssen nahmen vielfach teil. Das dürfte an den niedrigen Hürden gelegen haben, da der Arbeitgeber alle Beschäftigten ermutigte und die Kurse vor Ort stattfanden.“

Weitere Informationen zu der Studie

Schneider, Martin R. und Johanna Flore (2019): „Training and commitment in a German manufacturing company during the post-2008 crisis: a case of internal flexicurity.“ The International Journal of Human Resource Management 30 (10), S. 1666-1682.

Flore, Johanna und Martin Schneider (2017): „Qualifizieren und binden: Betriebliche Weiterbildung während Kurzarbeit.“ Personal Quarterly 66 (3), S. 45-53.

Foto (Universität Paderborn): Prof. Dr. Martin Schneider, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Personalwirtschaft an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften.
Foto (privat): Dr. Johanna Flore hat an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften in Paderborn studiert und dort zum Thema „Weiterbildung und Mitarbeiterbindung – eine Untersuchung im Kontext Kurzarbeit“ promoviert.

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