Neue Forschung unter Beteiligung von Prof. Dr. Philip Yang beleuchtet überraschende Präferenzen von Führungskräften
Nicht alle Regelverstöße werden in Organisationen sanktioniert – manche führen sogar zu Beförderungen. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt eine internationale Studie unter Mitwirkung von Prof. Dr. Philip Yang (Lehrstuhl für BWL, insb. Sustainable Human Resource Management and Leadership, Universität Paderborn), die im renommierten Fachjournal Academy of Management Discoveries erschienen ist. Gemeinsam mit Prof. Dr. D. Wiley Wakeman (Stockholm School of Economics) und Prof. Dr. Celia Moore (Imperial College London) untersuchte Yang, unter welchen Bedingungen Regelbruch in Organisationen toleriert oder sogar belohnt wird – und wann nicht.
Um diese Fragen empirisch zu untersuchen, griff das Forschungsteam auf den Profisport zurück. Dieser biete besonders geeignete Untersuchungsbedingungen, so die Forschenden, da die meisten Sportarten klar kodifizierte Regeln und ein engmaschiges Überwachungssystem aufwiesen. Regelverstöße ließen sich hier eindeutig beobachten und systematisch dokumentieren – ideale Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Analyse. Konkret analysierten die Koautor*innen umfangreiche Daten zu Regelverstößen und Trainerentscheidungen über die Spielzeit einzelner Spielerinnen aus sechs Spielzeiten der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL. Ergänzt wurde die Untersuchung durch ein Online-Experiment mit über 200 Teilnehmenden, um die psychologischen Mechanismen zu analysieren.
Das zentrale Ergebnis: In bestimmten Situationen neigen Führungskräfte dazu, Regelbrecher*innen positiver zu bewerten – insbesondere dann, wenn deren Verhalten als besonders engagiert oder „teamdienlich“ interpretiert wird. Regelbruch kann unter solchen Umständen als Ausdruck von Engagement verstanden werden – und wird entsprechend honoriert. Allerdings hat diese Toleranz Grenzen: Bei groben Verstößen, in Organisationen mit stark ausgeprägter ethischer Kultur oder in kritischen Phasen – etwa in Playoff-Spielen – kehrt sich die Wirkung um. In solchen Fällen werden Regelbrecher*innen für den Regelbruch mit weniger Spielzeit bestraft. Diese beiden Effekte wurden in dem Online-Experiment repliziert und zeigen, dass Commitment vs. Liability Wahrnehmungen der Führungskräfte diesen umgekehrt u-förmigen Zusammenhang zugrunde liegen.
„Regelbruch wird nicht automatisch sanktioniert. Unsere Studie zeigt, dass Führungskräfte zwischen destruktivem und konstruktivem Regelverstoß unterscheiden – letzterer wird in vielen Fällen sogar mit mehr Verantwortung oder Spielzeit belohnt“, erklärt Prof. Dr. Philip Yang.
Was bedeutet das für Unternehmen?
„Führungskräfte sollten bewusst reflektieren, wie sie auf Regelbruch reagieren – und ob sie diesen möglicherweise unbeabsichtigt fördern“, so Yang. Ein achtsamer Umgang mit Regelverstößen sei essenziell, um keine falschen Anreize zu setzen. Gleichzeitig plädiert der Paderborner Wissenschaftler für ein kritisches Hinterfragen interner Strukturen: „Nicht jede Regel ist sinnvoll. Manchmal liegt der Regelbruch in ineffizienten Prozessen begründet.“
Die Studie beleuchtet das Spannungsfeld zwischen Regelkonformität, Engagement und Führungskultur – und liefert wertvolle Impulse für ein reflektiertes, nachhaltiges HR-Management.
Zur Zusammenfassung der Studie „A (Bounded) Preference for Rule Breakers“ durch die Academy of Management: https://journals.aom.org/doi/full/10.5465/amd.2022.0280.summary