Un­si­cher­heit als Chan­ce und Ri­si­ko: Neue DFG-For­schungs­grup­pe zu „As­set Al­lo­ca­ti­on und „As­set Pri­cing“

 |  ForschungForscher*innenPressemitteilung

Plötzliche Veränderungen der politischen, wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen können international für große Unsicherheit in allen Gesellschaftsgruppen sorgen. Ein aktuelles Beispiel: Die Androhung massiver Zollerhöhungen durch US-Präsident Donald Trump verursachte große Sorge bei zahlreichen Regierungen weltweit, begleitet von Verunsicherung vieler Unternehmen, der Handelsbörsen und Finanzmärkte sowie bei den Anleger*innen und Investor*innen. Eine kürzlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte Forschungsgruppe analysiert jetzt, wie genau sich die sogenannte regulatorische Unsicherheit auf die Bewertung von Vermögenswerten und Anlagenentscheidungen auswirkt. Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane von der Universität Paderborn arbeitet an zwei der insgesamt fünf Teilprojekte mit und trägt maßgeblich zur Erforschung der Folgen regulatorischer Unsicherheit bei. Sie erklärt: „Wenn Zeitpunkt und Umfang geplanter oder wahrscheinlicher Regulierungsmaßnahmen, wie etwa Steuer- oder Zolländerungen oder die Veränderung von Klimapolitik, nicht oder nur bedingt bekannt sind, entsteht erhebliche Unsicherheit. Wir interessieren uns konkret dafür, wie die regulatorische Unsicherheit die Bewertung von Vermögenswerten beeinflusst und deren Attraktivität für Investor*innen verändert.“ Rund 3,2 Millionen Euro stehen dem reinen Frauenteam aus sieben Wissenschaftlerinnen von sechs Universitäten für vier Jahre zur Verfügung.

„Asset Allocation“ Probleme: Auswirkungen auf finanzielle Entscheidungen

„Asset Allocation“ beschreibt die strategische Aufteilung von Kapital auf verschiedene Anlageklassen, wie z. B. Aktien, Anleihen oder Immobilien, um die Mischung aus Gesamtrisiko und Rendite zu optimieren. In einem der Teilprojekte geht es um die regulatorische Unsicherheit etwa bei der Besteuerung und bei Versicherungen, beides Bereiche, die politisch intensiven Diskussionen ausgesetzt sind, die ihrerseits immer wieder zu Änderungen der Regulierung führen. Gemeinsam mit Prof. Dr. An Chen, Sprecherin der neuen Forschungsgruppe und Leiterin des Instituts für Versicherungswissenschaften an der Universität Ulm, sowie Prof. Dr. Nicole Bäuerle, Vizesprecherin der Forschungsgruppe und Finanzmathematikerin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), untersucht Prof. Sureth-Sloane, wie sich regulatorische Unsicherheit als Faktor in mathematischen Modellen für „Asset Allocation“-Probleme auswirken kann. Anhand konkreter Anwendungen aus der Besteuerung und von Versicherungen zeigen die Wissenschaftlerinnen theoretisch, wie sich Regulierungsunsicherheit auf finanzielle Entscheidungen von Investor*innen auswirkt. Denn sobald regulatorische Unsicherheit ins Spiel kommt, müssen die mathematischen Modelle angepasst werden. 

Das Team schaut sich die Folgen für Investitionsentscheidungen am Kapitalmarkt bei Berücksichtigung dieser Unsicherheit an. „Zur Veranschaulichung: Eine Anlegerin hat ihre Anlagen aufgeteilt in 50 Prozent Aktien, 40 Prozent Anleihen und zehn Prozent als liquide Mittel. Um nur ein für sie akzeptables Ausmaß an Risiken einzugehen, folgt sie einer Strategie mit mittlerem Risiko, die zugleich eine moderate Rendite verspricht. Ihre Anlagestrategie, die durch ein mathematisches Modell abgebildet wird, gerät jedoch ins Wanken, wenn sich die Rahmenbedingungen plötzlich ändern oder sich zu ändern drohen, z. B. durch die Diskussion von Steuer- oder Zollerhöhungen für bestimmte Branchen oder Länder, und wenn in der Folge weltweit die Handelsbörsen und Finanzmärkte verrückt spielen. „Wir entwickeln mathematische Lösungsverfahren und numerische Algorithmen für optimale Strategien unter solchen Bedingungen und identifizieren zudem Eigenschaften von Instrumenten, die z. B. die Finanzverwaltung anbieten könnte, um Steuerpflichtige gegen bestimmte Arten steuerlicher Unsicherheit zu schützen“, erklärt Prof. Sureth-Sloane. 

Ein neues Maß für Steuererwartungen: ökonometrische Analyse

In einem zweiten Teilprojekt untersucht Prof. Sureth-Sloane gemeinsam mit Prof. Dr. Monika Gehde-Trapp, Lehrstuhlinhaberin „Financial Institutions“ der Universität Tübingen, die Auswirkungen von Steuerunsicherheit und -erwartungen über zukünftige steuerliche Behandlung von Investitionen auf die Preisbildung an Kapital- und anderen Märkten. Die Wissenschaftlerinnen nutzen dabei die Preisbildung an Märkten durch Angebot und Nachfrage. „Wir entwickeln ein innovatives Maß der Steuererwartungen von Investor*innen und analysieren auf der Basis, welche Folgen die Steuererwartungen und Steuerunsicherheit von Investor*innen haben. Beispielweise können durch Steuerunsicherheit nicht nur die Entscheidungen von Anleger*innen, sondern auch die Investitions- und Ausschüttungsentscheidungen in Unternehmen, an denen sich Anleger*innen beteiligt haben, betroffen sein. Wir werden zeigen, wie und in welchem Umfang sich steuerliche Erwartungen und Unsicherheit der Investoren auf Unternehmen und damit auf die Wirtschaft auswirken.“, erklärt Prof. Sureth-Sloane. 

Maßgeschneiderte Forschung für den Einfluss regulatorischer Unsicherheit

Die Forschungsgruppe arbeitet bei ihren Untersuchungen hochinnovativ und mit wissenschaftlichen Werkzeugen, die maßgeschneidert auf das Projekt zugeschnitten sind – das Resultat einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen dem Team aus Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Mathematikerinnen, einschließlich Expertinnen für Finance, Versicherungen, Steuern und Ökonometrie. Das Forschungsteam untersucht den Einfluss regulatorischer Unsicherheit für drei Anwendungsfelder: erstens für unterschiedliche Sektoren wie z. B. die besonders stark regulierte Versicherungswirtschaft, zweitens für den Bereich der Klimapolitik, der von regulativen Maßnahmen wie beispielsweise der CO2-Steuer oder dem Emissionshandel geprägt ist, sowie drittens dem Steuersystem. Zur Forschungsgruppe zählen neben Prof. Chen, Prof. Bäuerle, Prof. Sureth-Sloane und Prof. Gehde-Trapp auch Prof. Dr. Nicole Branger (Universität Münster), Univ.- Prof. Dr. Antje Mahayni (Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Melanie Schienle (KIT).

Foto: Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paderborn.
Symbolbild (Universität Paderborn, Nina Reckendorf)

Kontakt

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane

Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre

Sprecherin im TRR 266 Accounting for Transparency

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