Verabschiedung von Prof. Dr. Stefan Betz
Es ist 23:55 Uhr, und in einem Büro der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften brennt noch Licht. Studierende eilen mit ihrer Abschlussarbeit durch den Flur, tränenüberströmt, auf der Suche nach jemandem, der sie fristgerecht entgegennehmen kann. Und tatsächlich: Prof. Dr. Stefan Betz ist noch da. Wie so oft.
Es sind genau solche Geschichten, die Stefan Betz in seiner Abschiedsvorlesung erzählt – mit feinem Humor, Selbstironie und einem Blick für das Menschliche im Universitätsalltag. Und genau diese Geschichten erklären auch, warum der Raum an einem regnerischen Julitag so gut besucht ist: Ehemalige Promovierende, Studierende, Kolleg*innen, Familie, ja sogar frühere studentische Hilfskräfte von Prof. Dr. Stefan Betz – sie alle sind gekommen, um sich zu bedanken.
Ein Lehrer mit Haltung – ein Kollege mit Herz
In seiner einleitenden Rede beschreibt der Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Prof. Dr. Jens Müller, den Abschied von Prof. Dr. Stefan Betz als einen „ganz besonderen Tag, aber gleichzeitig auch traurigen Moment“. Denn mit ihm verlasse jemand die Fakultät, der sie über Jahrzehnte maßgeblich mitgestaltet habe – als Wissenschaftler, als Kollege und als Mensch. Und auch als Lehrer:
„Lehre war für Stefan Betz nicht nur Pflicht, sondern eine Herzensangelegenheit. Er hat Generationen von Studierenden geprägt. Ihn zeichneten exzellente und praxisnahe Lehre aus. Außerdem bildete er eine wichtige Schnittstelle zum Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen“, erklärt Müller. Seine Vorlesungen galten als herausfordernd; bei den Studierenden war Betz dennoch beliebt: „Hier wussten sie: Da lehrt jemand mit Leidenschaft, Anspruch und Verständnis“, so Jens Müller. Seine Veranstaltungen waren so beliebt, dass Mitarbeitende mitunter als Türsteher*innen am Hörsaaleingang stehen mussten.
Doch Betz war weit mehr als ein engagierter Lehrender – er war ein Gestalter. Über 20 Jahre lang übernahm er den Vorsitz des Prüfungsausschusses – ein wichtiges Amt, das er mit Präzision, Fairness und Geduld führte. „Alle Professor*innen der Fakultät waren unglaublich dankbar, dass Stefan das Amt so lange übernommen hat, sonst hätten sie es ja machen müssen“, bemerkt Müller augenzwinkernd.
Vom Zonenrandgebiet zur Herzensheimat
In seiner Abschiedsvorlesung nimmt Betz das Publikum mit auf eine Reise durch sein wissenschaftliches Leben – und zurück an den Ort, an dem alles begann. Ursprünglich aus Wuppertal stammend, verschlug es ihn Anfang der 1980er-Jahre für sein BWL-Studium nach Paderborn – entgegen seiner eigentlichen Wünsche wurde er der Stadt zugeteilt. „Da habe ich erstmal den Diercke-Atlas rausgeholt, um zu schauen, wo das überhaupt liegt und dachte mir: Das ist doch Zonenrandgebiet!“, erinnert sich Betz schmunzelnd. Eigentlich wollte er nur zwei Semester bleiben – geblieben ist er (mit Unterbrechung) bis zum Ruhestand.
Nach Promotion und Habilitation an der Universität Paderborn führten ihn Professurvertretungen und Lehrstühle an die TU Braunschweig und die Universität Göttingen – bevor er 2004 an die Universität Paderborn zurückkehrte. Dort übernahm er die Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktionsmanagement und Controlling.
Forschung mit Substanz und gelebte Nachwuchsförderung
In seiner Forschung beschäftigte sich Betz unter anderem mit Fragen der Lagerkapazitäten, der „Make-or-Buy“-Entscheidung bei Dienstleistungen, der taktischen Erfolgsplanung für Produktinnovationen und den Konsequenzen der Arbeitszeitflexibilisierung für Produktion und Logistik. Was alle Projekte verbindet: die enge Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitenden. Es wird deutlich: Prof. Dr. Stefan Betz versteht sich nicht als Einzelkämpfer, sondern als Teil eines Teams.
Mehr als 20 Doktorand*innen hat Betz in seiner Zeit an der Universität Paderborn betreut. Außerdem war kein anderes Fakultätsmitglied in so vielen Promotionskommissionen aktiv – ein Beweis für gelebte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Zwischen Schlafanzug-Prüfungen und Eisdielen-Klausurgesprächen
Seine Anekdoten aus dem Unialltag an der UPB vor, während und nach Corona sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch ein Zeugnis für die Wandlung des Lehralltags: Von voller Präsenz über spontane Komplett-Digitalisierung bis hin zu den hybriden Herausforderungen danach.
Stefan Betz erzählt von Studierenden, die sich bei mündlichen Online-Prüfungen nicht zeigen wollten („Sie möchten mich nicht sehen, wie ich jetzt aussehe… Ich habe einen Schlafanzug an!“), unbekannten Studierenden, die ihn in der Mensa angesprochen haben und ihn nur aus Online-Vorlesungen kannten („Ich kenne Sie und eigentlich kenne ich Sie nicht. Ich kenne Ihre Stimme, wer sind Sie?“) oder Eltern, die „ihre Seele verkaufen würden“, damit der Sohn noch die notwendigen Punkte erhält, um in den Master zu kommen – Betz kennt sie alle, die Absurditäten und Emotionen des akademischen Betriebs. Und er erzählt sie mit einer Mischung aus Scharfsinn und Wärme.
Auch außerhalb des Campus begegnete er seinen Studierenden und deren Angehörigen immer wieder: Im Supermarkt („Sind Sie der Herr Betz? Dann werden wir jetzt sehr viel miteinander zu tun haben. Ich habe alle Ihre Module gewählt!“, in der Eisdiele („Was kam bei Aufgabe 17 raus?“) oder im Taxi („Ich muss Ihnen mal von meiner Stieftochter erzählen“).
Ein Mensch, der Spuren hinterlässt
Stefan Betz braucht die große Bühne nicht. Aber in kleiner Runde ist er immer für seine Kolleg*innen da: als Motivator, Unterstützer oder um Anerkennung zu zeigen. Mit einem offenen Ohr, mit klarem Wertekompass, mit Empathie. Und oftmals mit Schokolade.
Als der Applaus am Ende seiner Vorlesung minutenlang anhält, ist klar: Hier geht jemand, den die Fakultät nicht vergessen wird. Und der auch nicht ganz verschwindet. Denn wie sagte Dekan Müller so schön: „Stefan Betz hat viele Spuren in der Fakultät hinterlassen, vor allem bei uns Menschen! Wir freuen uns, dass du diese Phase nun abgeschlossen hast – aber noch mehr, wenn du mal wieder vorbeischaust. Für ein Gespräch. Oder etwas Süßes.“