Unternehmen sehen investitions­fördernde Wirkung des Wachstums­chancengesetzes kritisch

 |  ForschungFakultät für WirtschaftswissenschaftenDepartment 2: Taxation, Accounting and FinancePressemitteilungen

Mit dem Wachstums­chancengesetz soll demnächst ein Gesetz verabschiedet werden, das Investitionen in Deutschland fördern und so wirtschaft­lichen Krisen entgegenwirken soll. Doch können die geplanten Maßnahmen halten, was sie versprechen? Der neue GBP-Monitor zeigt: Viele Unternehmen sehen das kritisch. Weniger als 20 Prozent der Befragten geben an, dass die geplanten Maßnahmen im eigenen Betrieb zu vorgezogenen oder mehr Investitionen führen werden. Die überwiegende Mehrheit erwartet keine positiven Effekte für die eigene Investitions­tätigkeit oder kennt die Maßnahmen nicht.

Im August wurde der Regierungs­entwurf eines Gesetzes verabschiedet, das von vielen lange erwartet wurde: das Wachstums­chancengesetz. In den Ausschüssen und Arbeits­kreisen des Bundestages wird die Gesetzesvorlage aktuell diskutiert und überarbeitet, bevor das Gesetz am 17. November 2023 im Bundestag verabschiedet werden soll. Die neue Studie des German Business Panels könnte wichtige Hinweise für die Überarbeitung liefern. Denn um beurteilen zu können, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich zu mehr Investitionen führen, ist es entscheidend, die Perspektive der Unternehmen einzubeziehen. Deshalb haben Forschende der Universität Paderborn und der Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam mit dem Team des German Business Panel (Universität Mannheim) Unternehmen in Deutschland gefragt, wie sich fünf der vorgeschlagenen steuerlichen Maßnahmen auf ihre Investitions­tätigkeit auswirken.

Die untersuchten Maßnahmen umfassen:

  1. die Verlängerung der zeitlich befristeten degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschafts­güter in Höhe von 25 Prozent bis Ende 2024;
  2. eine Verbesserung der Sonderabschreibung für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), bei der Unternehmen 50 Prozent der Investitions­kosten sofort im Jahr der Anschaffung oder den folgenden vier Jahren abschreiben können, anstatt wie bisher 20 Prozent;
  3. eine Investitions­prämie für Klima- und Umweltschutz­maßnahmen in Höhe von 15 Prozent;
  4. eine Anhebung der steuerlichen Forschungs­förderung auf bis zu 3 Millionen Euro (4,2 Mio. Euro für KMUs) und
  5. ein erweiterter Verlustrücktrag, bei dem Verluste mit Gewinnen der drei vorangegangen Jahre verrechnet werden können.

Ein Großteil der Unternehmen sieht keinen Anreiz für Investitionen im eigenen Betrieb
Das überraschende Ergebnis: Im Schnitt sehen nur etwa rund 13,5 Prozent der Unternehmen durch die ausgewählten steuerlichen Maßnahmen einen Anreiz, Investitionen vorzuziehen und/oder mehr zu investieren. Den größten Zuspruch erhalten verbesserte Abschreibungs­möglichkeiten sowie die Investitions­prämie für Klima- und Umweltschutz­maßnahmen mit rund 17 Prozent. Der erweiterte Verlustrücktrag (9,1 Prozent) und vor allem die steuerliche Forschungs­förderung (7,6 Prozent) sind nur für wenige Befragte Anreiz, mehr und/oder früher zu investieren.

Das Forscherteam erklärt die Ergebnisse im Hinblick auf die steuerliche Forschungs­förderung so: „Bei den Befragten handelt es sich vor allem um kleine Unternehmen, für die Forschung und Entwicklung oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen“, so Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane von der Universität Paderborn. „Erfahrungs­berichte deuten zudem darauf hin, dass die Beantragung der Forschungs­förderung mit hohen Nachweispflichten sowie hohem administrativen Aufwand verbunden sein kann, was insbesondere für kleine Unternehmen kaum zu bewältigen ist.“

Überschaubare Wirkungs­erwartung der Maßnahmen überrascht
Bedenklich stimme allerdings, dass einzelne Maßnahmen rund einem Fünftel bis zu einem Drittel der Unternehmen überhaupt nicht bekannt seien. Das betreffe auch Maßnahmen, die vor allem auf kleine Unternehmen ausgerichtet seien, wie die Erhöhung der Sonderabschreibung von 20 auf 50 Prozent. Knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen, die zu einem großen Teil aus dieser Gruppe kommen, ist diese steuerliche Maßnahme unbekannt. Sureth-Sloane ist sich allerdings sicher: „Vereinfach­ungen, bessere Anwendungs­hilfen und Informationen können hier Abhilfe schaffen und sollten von Anfang an mit geplant werden.“

Insgesamt sind die Forschenden von den überschaubaren Wirkungen der Maßnahmen auf die Investitions­tätigkeit der Unternehmen überrascht. „Vorherige Befragungen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Unternehmen Steuern bei ihren Investitions­entscheidungen berücksichtigt. Steuerliche Fördermaßnahmen sollten daher, sofern keine anderen Hindernisse vorliegen, die Investitions­tätigkeit anregen“, erklärt Prof. Dr. Ralf Maiterth von der Humboldt-Universität zu Berlin. „Gerade die Investitions­wirkung von beschleunigten Abschreibungen wird von Unternehmen typischerweise als außerordentlich positiv bewertet. Mit Blick auf die Investitions­wirkungen für ihr eigenes Unternehmen zeigen sich die Unternehmen in der aktuellen Befragung deutlich zurückhaltender hinsichtlich eines positiven Urteils.“ Allerdings zeige die Befragung auch, dass die Größe der Unternehmen und ob sie aktuell Gewinne oder Verluste erwarten bei der Bewertung der Maßnahmen entscheidend sind. Unternehmen, die Gewinne erwarten oder mehr als fünf Mitarbeiter haben, geben im Schnitt höhere Investitions­wirkungen an. Hier geben immerhin mindestens 15 Prozent der Befragten an, mit der Reform mehr oder frühere Investitionen durchführen zu wollen.

Un­zufriedenheit mit der aktuellen Wirtschafts­politik ist hoch
Nicht auszuschließen sei, dass auch die allgemeine Un­zufriedenheit der Unternehmen mit der aktuellen Wirtschafts­politik eine prägende Rolle bei der Bewertung der Maßnahmen spiele. Rund 71,9 Prozent der Befragten sind mit der Wirtschafts­politik der Bundes­regierung un­zufrieden. Zudem sehen sich die Unternehmen – auch mit Blick auf die Maßnahmen des Wachstums­chancengesetzes – einem hohen steuerlichen Verwaltungs­aufwand ausgesetzt.

Den „GBP-Monitor: Unternehmens­trends im November 2023“ finden Sie hier: https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2023/11/gbp_monitor_2023_11.pdf

Weitere Informationen zur aktuellen Befragung des GBP-Monitors
Alle Forschenden sind Teil des Sonderforschungs­bereichs TRR 266 Accounting for Transparency, dem auch das German Business Panel (GBP) angehört. Das GBP, das an der Universität Mannheim angesiedelt ist, befragt monatlich mehr als 800 Unternehmen zur Unternehmens­lage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitions­änderungen, 2) unternehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Schließungs­rate in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik. Zudem wird jeden Monat zu besonders aktuellen Fragen berichtet, die auch von anderen Forscherteams des TRR 266 eingereicht und ausgewertet werden. Die vorliegende Befragung zum Wachstums­chancengesetz wurde von den Forschenden der Universität Paderborn und der Humboldt-Universität zu Berlin eingereicht und ausgewertet.

Hintergrund­informationen zum German Business Panel
Das German Business Panel ist ein langfristiges Befragungs­panel des DFG-geförderten überregionalen Projektes „Accounting for Transparency“ (www.accounting-for-transparency.de). Der Sonderforschungs­bereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019. Im Mai 2023 beschloss die Deutsche Forschungs­gemeinschaft (DFG), den SFB um zunächst weitere vier Jahre zu verlängern. Er ist der erste SFB mit betriebs­wirtschaft­lichem Schwerpunkt. Am SFB sind über 100 Wissenschaft­ler*innen von neun Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forschende von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Frankfurt School of Finance & Management, der WHU – Otto Beisheim School of Management und der Universität zu Köln. Die Forschenden untersuchen, wie Rechnungs­wesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmens­transparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 18 Millionen Euro.

Kontakt

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane

Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre

Sprecherin im TRR 266 Accounting for Transparency

E-Mail schreiben +49 5251 60-1781