Mensch vs. Ma­­schi­­ne in der di­­gi­ta­­li­­sier­ten Ar­­beits­welt

 |  Arbeit in der Digitalisierung

Paderborner Wissenschaftler*innen untersuchen den Umgang mit neuen Technologien aus humanistischer Sicht

Technologien der vierten industriellen Revolution, bei der Menschen, Maschinen und Produkte intelligent miteinander vernetzt sind, verändern den Blick des Menschen und dessen Verhältnis zu den von ihm selbst geschaffenen Maschinen. Der breit gefächerte Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), intelligenter Robotik und „Human Enhancement“ droht, den Menschen in Arbeitsprozessen nach Ansicht mancher Expert*innen sogar vollständig zu ersetzen. Wissenschaftler*innen der Universität Paderborn haben im Rahmen des Wissenschaftskollegs „Data Society“ die aktuelle Debatte mit historischen Diskussionen der zweiten industriellen Revolution, dem Siegeszug des Fließbands und der industriellen Massenfertigung vor etwa hundert Jahren verglichen. In dem interdisziplinären Projekt zeigen sich verblüffende Parallelen: Obwohl die neuen, digitalen Technologien, verglichen mit den älteren Maschinen, dezentral eingesetzt werden und schwer greifbar wirken, haben sie ähnlich bedrohliche Effekte für den Menschen. Sie erzeugen Angst vor einer Verdrängung des Menschen durch die Technologie.

In den beiden untersuchten Perioden, den 1920er Jahren und heute, finden sich laut Prof. Dr. Claudia, Öhlschläger, Professorin für Komparatistik am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Paderborn, Vorstellungen über den Stellenwert, den der Mensch gegenüber der Maschine besitzt. Glich der Mensch vor hundert Jahren noch einem Zahnrad in einer Maschine, so wird er heute auf einen Datenpunkt im weltweiten Netzwerk reduziert. „Daher ist die schon ältere Diagnose des Philosophen Günter Anders weiterhin zutreffend: Angesichts der überwältigenden Technik, die er selbst schafft, empfindet der Mensch eine „prometheische“ Scham, durch die er sich klein und unvollkommen fühlt“, erklärt Öhlschläger. Dies könne bspw. zu Misstrauen gegenüber KI oder intelligenter Robotik führen.

Fehlerhafte Vergleiche bestimmen das Narrativ

Dabei würden die Menschen vergessen, dass sie selbst die Urheber der neuen Technik sind. „Künstliche Intelligenz und andere digitale Technologien werden heute tendenziell in ihrer Autonomie gegenüber dem Menschen und in ihrer Leistungsfähigkeit überschätzt. Eine Scham ihr gegenüber ist also faktisch gesehen ungerechtfertigt“, erklärt Prof. Dr. Martin Schneider, Professor für Personalwirtschaft an der Universität Paderborn. „Die Überschätzung kommt vermutlich dadurch zustande, dass Maschinen mit Menschen meist auf naive Weise verglichen werden.“ Begriffe wie „Maschinenhirn“ oder „Roboterarm“ verleiten laut Schneider zu dem falschen Schluss, die Maschinen funktionierten ähnlich, vielleicht sogar besser als ihre menschlichen Vorbilder. In Wahrheit werden digitale Technologien nur durch versteckte Vorleistungen in Form unzähliger Arbeitsstunden in Gang gehalten. Schneider: „Diese Technologien sind zum Teil sogar ineffizient im Vergleich zu Menschen. Zum Beispiel führt die gigantische Menge an Energie, die die KI im täglichen Einsatz benötigt, die Vorstellung, KI sei von sich aus kreativ bzw. produktiv, ad absurdum.“

Die Erkenntnisse des Wissenschaftskollegs sollen für den Umgang mit neuer Technologie in Arbeitswelt und Gesellschaft sensibilisieren und insbesondere einen humanistischen Umgang mit Maschinen ermöglichen.

Foto (Universität Paderborn, Thorsten Hennig): Prof. Dr. Martin Schneider beim Tag der Forschung.
Symbolbild (Universität Paderborn, Matthias Groppe): Wissenschaftler*innen der Universität Paderborn haben sich im Rahmen des Wissenschaftskollegs „Data Society“ mit der Frage beschäftigt, wie sich die Rolle des Menschen in der digitalisierten Arbeitswelt verändert.
Foto (Universität Paderborn, Thorsten Hennig) Prof. Dr. Claudia Öhlschläger hat auf dem Tag der Forschung der Universität Paderborn die Ergebnisse des Wissenschaftskollegs „Data Society“ vorgestellt.

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