Die Energie- und Mobilitätswende stellt Deutschlands Netzbetreiber vor große Herausforderungen: Der Anteil dezentral in die Verteilnetze eingespeister erneuerbarer Energie steigt, der Ausbau von Ladestationen für E-Autos führt zu einer zeitlich und räumlich konzentrierten Energienachfrage und als Folge werden die elektrischen Betriebsmittel und Komponenten der Netze stärker belastet. Parallel erwarten die Kunden, auf gleichbleibend hohem Niveau versorgt zu werden. Den Monitoring- und Regelsystemen der Verteilnetze kommt daher eine Schlüsselrolle zu: Sie müssen auch unter erhöhter Belastung reibungslos funktionieren. Hier setzen Wissenschaftler des „SICP – Software Innovation Campus Paderborn“ der Universität Paderborn mit einem neuen Forschungsprojekt an: Sie wollen ein neues, durch Künstliche Intelligenz (KI) unterstütztes System entwickeln, das die Funktionen der Verteilnetze kontinuierlich überwacht und frühzeitiger als bislang Fehler vorhersagt. Netzbetreiber könnten so Fehler in ihren Anlagen schneller erkennen, die Qualität der Infrastruktur verbessern und damit die Verteilung grüner Energie sicherstellen.
Das Projekt „FLEMING – Flexible Monitoring- und Regelsysteme für die Energie- und Mobilitätswende im Verteilnetz durch Einsatz von Künstlicher Intelligenz“ des SICP startete im September und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit insgesamt 3,3 Millionen Euro gefördert. Im SICP kooperieren über 30 Professoren der Universität Paderborn und deren Teams aus den Bereichen, Informatik, Elektrotechnik und Informationstechnik, Wirtschaftswissenschaften sowie Wirtschaftsinformatik mit derzeit zwölf Unternehmen. An „FLEMING“ sind Prof. Dr. Eyke Hüllermeier und sein Team von der Fachgruppe „Intelligente Systeme und Maschinelles Lernen“ sowie Prof. Dr. Daniel Beverungen und sein Team vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik beteiligt.
„Angesichts der beschriebenen Herausforderungen der Energiewende stößt die heutige Steuerungs- und Regeltechnik der Netzbetreiber zunehmend an ihre Grenzen. In unserem Forschungsprojekt wollen wir daher ein neuartiges intelligentes Monitoring- und Regelsystem entwickeln. Damit soll es den Netzbetreibern künftig möglich sein, potentielle Ausfälle von Anlagen und andere Schäden schneller als bislang zu erkennen und diesen vorzubeugen“, erläutert Dr. Christoph Weskamp, Manager des Kompetenzbereichs „Digital Business“ im SICP. Der Ansatz der Forscher: Sie wollen nicht nur die bislang verwendete Sensortechnik weiterentwickeln, sondern auch Methoden Künstlicher Intelligenz (KI) einsetzen.
„Im Projekt sollen genaue, zuverlässige und leicht nachrüstbare Regelungssensoren entwickelt werden, die den Netzbetreibern ein intelligentes Lastmanagement ermöglichen. So könnten die Verteilnetze künftig flexibler genutzt und die für die Energiewende benötigte Energieverteilungs-Infrastruktur flächendeckend ausgebaut werden“, erklärt Dr. Gunnar Schomaker, Manager des Kompetenzbereichs „Smart Systems“ im SICP. „Außerdem wollen wir untersuchen, inwiefern sich moderne KI-Methoden zum Überwachen und Regeln der Verteilnetze eignen, insbesondere Methoden des maschinellen Lernens“, ergänzt Prof. Dr. Eyke Hüllermeier. „Grob gesagt besteht das Ziel darin, dass es einer lernfähigen KI auf der Grundlage historischer Daten gelingt, im Laufe der Zeit immer bessere Entscheidungen zu treffen. Im Rahmen des Projekts sollen hierzu insbesondere neuere Methoden des automatisierten maschinellen Lernens (AutoML) zum Einsatz kommen“, so der Informatiker.
Das intelligente Monitoring- und Regelsystem für Energienetze wird konsequent als digitales Geschäftsmodell entworfen. Dazu Prof. Dr. Daniel Beverungen: „Nur mithilfe neuer Informationstechnologie und Dienstleistungen kann die Energie- und Mobilitätswende gelingen. Die Etablierung grüner Energie stellt unsere Infrastruktur vor völlig neue Herausforderungen und sie stellt natürlich auch Verhaltensweisen der Verbraucher und Unternehmen infrage. Wir müssen innovative und digitale Lösungen finden, um diese Strukturveränderungen im Zusammenspiel der beteiligten Partner zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen diese Lösungen effizient und bezahlbar sein. So leisten wir im Projekt einen Beitrag dazu, unser Stromnetz fit für die Energiewende zu machen“.
Im Forschungsprojekt arbeiten die Paderborner Wissenschaftler mit dem ABB Forschungszentrum Deutschland, dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Forschungsinstitut für Rationalisierung e.V. (FIR) an der RWTH Aachen, der Heimann Sensor GmbH, sowie SÜC Energie und der H2O GmbH aus Coburg zusammen. Erste Forschungsergebnisse werden für die zweite Jahreshälfte 2020 erwartet.
Simon Ratmann, Stabsstelle Presse und Kommunikation