Prof. Dr. Karina Kiepe erforscht das Feld der Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung und Transformation. Dabei orientiert sie sich stark an Problemen aus der Praxis und deren Akteur*innen.
Die Leidenschaft im Lehren gefunden
Die Bereiche Wissenschaft und Praxis betrachtet Karina Kiepe als gleichwertig. Das liegt nicht zuletzt an ihrem persönlichen Werdegang: Von der Schulbank ging es für sie erst einmal zur Bank. Sie absolvierte ein duales Studium mit einer Ausbildung zur Bankkauffrau und dem Bachelor Banking and Finance. „Anfangs war ich ziemlich ‚lost‘, als ich mich nach dem Abitur für einen Berufsweg entscheiden musste“, gesteht sie. 2011 schloss sie das duale Studium ab, doch die Freude am Lehren, die sie durch ihre Dozierenden kennenlernte, ließ sie nicht los.
Sie wagte den Schritt in ein Lehramtsstudium mit Fokus auf Wirtschaftspädagogik. „Das duale Studium mit seinen beruflichen Bezügen gefiel mir inhaltlich gut, also wollte ich im wirtschaftlichen Kontext bleiben“, erinnert sich die 34-Jährige. Doch ihre Nebenfachwahl - Werte und Normen sowie Niederländisch - war mehr als eine rationale Entscheidung; sie folgte ihrem Bauchgefühl und der Neugierde auf Neues. „Außerdem war es einfach eine schöne Ergänzung zu den Wirtschaftswissenschaften.“
Während ihres Studiums machte Karina Kiepe Forschungserfahrung als studentische Hilfskraft in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie in der Betriebswirtschaftslehre und erhielt außerdem Einblicke in die Lehre. Diese Erfahrung ebnete ihr den Weg zur Promotion. „Ich habe mir gedacht, dass ich dieser Möglichkeit nachgehe und wenn es mir nicht gefällt, hätte ich mein Referendariat gestartet – denn das lief mir nicht weg“, beschreibt die Neuberufene ihre Bauchentscheidung, die einen neuen Lebensabschnitt einläutete.
Heute ist sie Hochschullehrerin und Forscherin, wobei sie immer versucht, ihre Forschung in ihrer Lehre aufzunehmen. Die Aspekte der Berufsbildung sind dabei ihr Steckenpferd, geprägt von ihren eigenen Erfahrungen als Schülerin, Auszubildende, Studentin und Promovendin.
Die Multiplikatorinnen-Funktion der Wirtschaftspädagogik
Als Forscherin liegt ihr Schwerpunkt nun auf der Nachhaltigkeit in der Berufsbildung. Dabei schaut sie sich unter anderem an, wie Lernangebote für Schüler*innen und Lehrende, also betriebliches und schulisches Bildungspersonal aussehen müssen, damit diese an einer nachhaltigen Entwicklung teilhaben können. Kurz um: Karina Kiepe forscht, wie eine zukunftsfähige Gesellschaft über Bildungsprozesse geschaffen werden kann. „Zukunftsfähig ist dabei alles, was auf Dauer ausgerichtet ist, das heißt auch in Zukunft funktionieren kann“, betont sie.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Partizipationsmöglichkeiten geschaffen werden, damit es eine Möglichkeit der Teilnahme für Lernende und Lehrende gibt. Der Wirtschaftspädagogik kommt dabei eine entscheidende Multiplikatorinnen-Funktion zu: Lehrende, die befähigt werden, das Thema Nachhaltigkeit in die Lehre einzubringen, schaffen eine Kettenreaktion für das Thema Nachhaltigkeit, indem Sie ihre Schüler*innen oder Auszubildenden zu Change Agents einer nachhaltigen Entwicklung machen.
Dabei inspiriert Kiepe täglich die Erkenntnis, dass Lösungen immer eine Auseinandersetzung mit der Praxis erfordern: „Ich verstehe Wissenschaft und Praxis als gleichwertig. Das heißt, Wissenschaft sagt Praxis nicht, was sie zu tun hat. Sie kann bei der Problemidentifikation und Gestaltung helfen. Im besten Falle findet dabei auch Weiterentwicklung von Theorie statt.“ Deshalb setzt sie auf eine gestaltungsorientierte Forschung.
Kiepes Mission in Paderborn
An der Universität Paderborn setzt Kiepe ihren Forschungs- und Lehransatz fort. Ihr Fokus bleibt dabei stark auf Nachhaltigkeit in der Wirtschaftspädagogik gerichtet. Sie lädt die Studierenden ein, mit Neugierde und dem Mut zu informierten Annahmen in ihre Veranstaltungen zu kommen, denn es geht ihr nicht nur um Noten, sondern um das Entfachen einer Denkweise, die zu überlegten Aussagen führt.
Kiepe fordert eine Attraktivitätssteigerung der beruflichen Bildung. Ihrer Meinung nach müssen Bildungsangebote für Schüler*innen und Auszubildende eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen. Ihre Inspiration? Menschen wie Maja Göpel, die sie am liebsten einmal in eine ihrer Vorlesungen einladen würde. Eine Transformationsforscherin und Nachhaltigkeitsexpertin, die komplexe Themen in der Öffentlichkeit verständlich darstellt und sich für diese einsetzt.
Karina Kiepe bleibt als Forscherin und Hochschullehrerin eine wichtige Stimme für eine umfassende und nachhaltige Entwicklung in der Berufsbildung. Sie richtet den Blick nicht nur in die Zukunft, sondern betrachtet auch die Vergangenheit als Fundament für eine umfassende und nachhaltige Entwicklung in der Berufsbildung.