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Pro­jekt QBi der Pader­borner Wirtschaft­späd­agogen fin­d­et er­fol­greichen Ab­schluss

 |  Kommt bald - Coming SoonAllgemeines

Qualifizierungsbausteine sind der Schlüssel zum Ausbildungserfolg

Weit über 100 Pädagog*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und Schulleiter*innen aus 30 NRW-Berufskollegs und Bildungsexpert*innen der Bezirksregierungen aus NRW waren am 18.-19.6.2018 der Einladung der Paderborner Wirtschaftspädagog*innen ins Soester „QUA-LiS“ gefolgt, um nach zwei arbeitsreichen Jahren das Projekt „QBi – Qualifizierungsbausteine in einer dualisierten Ausbildungsvorbereitung“  gemeinsam zum Abschluss zu bringen. Die vier teilnehmenden Berufskollegs stellten dabei u.a. ihre jeweils auf sie maßgeschneiderten neuen Qualifizierungsbausteine in der Ausbildungsvorbereitung (AV) vor.

Zu Beginn betonte Prof. Dr. H.-Hugo Kremer Sinn und Zweck der gemeinsam unternommenen Anstrengungen: „Mit dem Projekt QBi unterstützen wir die Berufskollegs bei ihrer anspruchsvollen Arbeit, die Herausforderungen der Integration und Inklusion zu bewältigen. Unsere Arbeit liegt darin, Anregungen zu geben, Ideen anzustoßen und gegebenenfalls neue Wege zu gehen.“ Dabei habe man bei dem aus den Projekten NeGel und InBig entstandenen Projekt QBi auch auf die bewährte Kooperation mit den Lehrstühlen Prof. Dr. Peter F.E. Sloane und Prof. Dr. Nicole Kimmelmann gesetzt. Zum engeren QBi-Team zählen neben Prof. Dr. Kremer: Dr. Petra Frehe, Nina-Madeleine Peitz und Simone Volgmann. Nach den Worten Prof. Kremers besteht das Projekt aus einer Konzeptions- und einer Implementationsphase und bedingt gravierende Änderungen in der Bildungsgangarbeit. Der gesellschaftliche Nutzen der gemeinsamen Anstrengungen liege in der Unterstützung oft chancenloser Jugendlicher mit fehlender Ausbildungsreife. Diese Jugendlichen gelte es mit Hilfe von neu entwickelten Qualifizierungsbausteinen so weit zu motivieren, dass sie mit mindestens einem Hauptschulabschluss dem Arbeitsmarkt zugeführt werden können. Die von den Berufskollegs Karl-Schiller-Dortmund, Lüttfeld-Lemgo, Albrecht-Dürer-Schule-Düsseldorf und Erkelenz vorgestellten und viel diskutierten Lösungen standen im Fokus von drei Schwerpunkten: Subjektorientierung, Erlebnisorientierte Didaktik und Sprachsensitive Berufsbildung, die von den Mitarbeiterinnen des Projekts wissenschaftlich beleuchtet und begleitet wurden.

Nina-Madeleine Peitz verwies mit ihrer Frage: „Warum versteht der Schüler mich nicht?“ auf die notwendige Förderung der Sprach- und Kommunikationskompetenz, Simone Volgmann postulierte mit Blick auf die Erlebnisorientierte Didaktik, dass sich Lernsituationen an den Bedürfnissen der Lernenden in der Ausbildungsvorbereitung orientieren müssen und betonte den notwendigen Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis. Dr. Petra Frehe sah hinsichtlich der Subjektorientierung in der AV sowohl Heterogenität als auch Diversität als große Herausforderung und forderte, die individuelle Bedarfslage der Zielgruppe stärker zu berücksichtigen. Schule müsse unter der Fragestellung „Wie muss ein Schulalltag gestaltet werden?“ neu gedacht werden. Der QBi-Forschungsansatz nähre sich aus der engen Kooperation von Wissenschaft und Praxis und der Prototypenentwicklung von Qualifizierungsbausteinen: „Dabei verstehen wir uns als Beratende und Begleitende, die mit den Berufskollegs ihre individuellen Standortentwicklungskonzepte diskutieren. Es ist ein Geben und Nehmen.“ In diesem Zusammenhang kündigte Petra Frehe das baldige Erscheinen einer ausführlichen Projekt-Dokumentation an.

Die Repräsentant*innen des kaufmännisch ausgerichteten Karl-Schiller-Berufskollegs Dortmund erläuterten den am Kolleg entwickelten Qualifizierungsbaustein „Adressatengerechte berufliche Kommunikation“ und betonten dabei den hohen Stellenwert der damit verbundenen Beziehungsarbeit mit ständigen Rückmeldungen, die den Lernenden Orientierung und Struktur gäben: „Kommunikative Kompetenz mit dem Fach Deutsch in Schlüsselfunktion und den damit verbundenen Lehrplänen ist der Grundbaustein, um sowohl in der Arbeitswelt als auch privat zu funktionieren. Man muss sich ja irgendwie verkaufen können...“. Praktika dürften nicht losgelöst betrachtet werden, sondern müssten ins Gesamtkonzept der beruflich-gewerblichen Bildung eingepasst werden. Um Überforderung und Verweigerung auszuschließen, werde den Lernenden eine Eingewöhnungsphase für ihre Praktikumstätigkeit zugestanden, was Pünktlichkeit und Vorbereitetsein deutlich verbessere. Das führte in der Bildungsgang-Organisation dazu, dass die vorgesehene Struktur – zwei Tage Berufskolleg, 3 Tage Praktikum – in drei Praktikumsblocks à zwei Wochen überführt wurde. Bereits der Schultag sollte im besten Fall wie ein Praktikumstag gestaltet werden können. Die Besonderheit besteht darin, dass der Praktikumstag mit zwei regulären Unterrichtstunden in der Schule beginnt und die Lernenden anschließend in ihre Praktikumsbetriebe gehen.

Das Berufskolleg Erkelenz (Ausrichtung: kaufmännisch / technisch / Gesundheit und Soziales) stellte die Beziehungsarbeit von Lehrenden zu den Schülern und damit für die Gestaltung der Qualifizierungsbausteine die Subjektorientierung in den Vordergrund. Es gehe vordringlich um den Erwerb des allgemeinen Schulabschlusses. Eine Stärken orientierte und motivierende Beziehungsarbeit müsse desgleichen die angebundenen Partnerbetriebe miteinschließen, die mit der Zeit über genügend Erfahrungen verfügten, ein Gefühl für die labile Zielgruppe entwickelten und zudem echte berufliche Perspektiven bieten könnten. Den Bildungsgang strukturierten die Erkelenzer in eine berufliche Orientierungs- und eine Qualifizierungsphase. Schulleiter OStD Jan Pfülb schreibt QBi eine „Katalysatorfunktion für die Bildungsgangarbeit“ zu.

Die Düsseldorfer Albrecht-Dürer-Schule bietet eine breite Ausbildungspalette und setzt auf Qualifizierungsbausteine zur Entwicklung der kommunikativen Kompetenz. Subjektorientierung, individuelle Förderung und Selbststeuerung werden im berufsvorbereitenden Bereich präferiert. Wenn Lernformate einen steten Bezug zueinander haben und Lernende erkennen, dass Unterricht und Praktikum aufeinander abgestimmt sind, könne man Schüler*innen wieder zum Lernen motivieren. Im Rahmen von QBi wurde Entwicklung und Implementierung eines Qualifizierungsbausteins in den Vollzeitklassen der AV vorgenommen. Der Schwerpunkt liegt auf der Verzahnung schulischer Angebote mit beruflicher Erfahrung in engem Miteinander von Schule und Betrieben.

Im Lüttfeld-Berufskolleg Lemgo bringen es die Lehrenden schlagwortartig auf den Punkt: „Authentischer Qualifizierungsbaustein im fachlichen Werkstattunterricht.“ Authentisch bezieht sich dabei auf eine fachbezogene Ausgestaltung der Qualifizierungsbausteine, hier auf Bau-, Elektro- und Farbtechnik sowie auf Ernährung, Hauswirtschaft und Raumgestaltung. Propagiert wird der „Erlebnisraum Schule“ im Dreiklang von Sprache – Werkstatt – Individualisierung. Dazu gehören die Gestaltung sprachsensibler Lehr-und Lernmaterialien, die Eigenverantwortung für Werkzeug und Material, die Pflege von Sprach- und Fachniveau und die „Werkstatt im Klassenzimmer“.

In seinen zusammenführenden Überlegungen stellte Prof. Dr. H.-Hugo Kremer zwei Postulate auf: „Qualifizierungsbausteine sind aus der Perspektive des Subjekts neu zu denken“ und: „Der individuelle Lern- und Entwicklungsgehalt von Lernsituationen muss stärker in den Fokus rücken – auch Didaktik ist neu zu denken.“ Kremer weiter: Die Konzeptentwicklung von Qualifizierungsbausteinen und die Implementation verlange den Lehrenden der Berufskollegs große Kraftanstrengungen ab. Dazu brauche es ein hohes Maß an Motivation und die Möglichkeit, sich in fachbezogenen Foren mit anderen Kollegen auszutauschen. Für die Fortführung der didaktischen Arbeit vor Ort seien die Schulleitungen gefordert. Das Projekt „Innovationsarena 3i“ könne das jetzt auslaufende Projekt QBi auch in dieser Hinsicht ideal ergänzen bzw. fortführen: „Die Wissenschaftler*innen der Universität Paderborn werden jedenfalls nicht müde, auch zukünftige Lehrer*innen für die Herausforderungen der Ausbildungsvorbereitung zu sensibilisieren.“

Text: Dr. Reinhard Schwarz

OStDirektor Jan Pfülb, Schulleiter des Berufskollegs Erkelenz „Wir haben aus diesem für uns wichtigen Projekt drei Erkenntnisse gezogen: Erstens ist der heutige Tag für uns kein Abschluss, sondern der Auftakt zu handeln. Wir müssen die Schüler ausreichend orientieren, bevor wir sie in die Praxis entlassen. Zweitens müssen wir den Schülern ihren Einstieg ins Praktikum erleichtern – dazu ist es nötig mit den Betrieben zu sprechen. Und drittens müssen wir die Situation beruflich und gesellschaftlich orientierungsloser Schüler als einen weiteren Auftrag für die Schule begreifen.“
OStDirektor Manfred Kreisel, Schulleiter des Lüttfeld-Berufskollegs Lemgo „Berufskollegs sind die Kompetenzzentren für die berufliche Bildung mit aktuell neuen Herausforderungen. Geflüchtete und Schulversager sind eine hoch brisante Mischung, keinen davon dürfen wir verlieren. Vormachen – nachmachen funktioniert im Unterricht nicht mehr. Wir müssen alle lernen zu reduzieren. Entscheidend ist, dass alle Schüler alle Bereiche einmal ganzheitlich durchlaufen. Wichtig ist, dass wir die Menschen, die uns anvertraut sind, mit hohem Maß an Empathie lieben und mögen. Und nicht zu vergessen: Unsere Schüler in den Beruf zu bringen, dauert fünf Jahre. Wer das anders sieht, lebt auf einem anderen Stern.“
Dr. Uwe Wiemann, Schulleiter am Karl-Schiller-Berufskolleg, Dortmund „Wir sind froh, dass wir dabei sein konnten. Danke an alle. Was hat uns das QBi-Projekt gebracht? Zum Beispiel eine jetzt vorherrschende, neue positive Sichtweise auf die Ausbildungsvorbereitung unserer Schule. Über das Projekt haben KollegInnen und Schüler eine höhere Wertschätzung erfahren. Für uns die Grundvoraussetzung für gute Bildungsarbeit. Es hat sich bei uns ein kleines, beständiges Lehrerteam gebildet, zudem haben wir neue Themenfächer implementiert und neue Schwerpunkte gebildet. Wir vermitteln jetzt bewusst und aktiv Kommunikation und Erlebnisorientierung. Einstiegsdiagnostik und Kompetenzraster können wir auch für andere Bildungsgänge verwenden, das ist ein echter Mehrwert. Wir wollen das weiterentwickeln, hoffen auf ein Anschlussprojekt und bleiben dran.“
Leitende Regierungsschuldirektorin Christina Hüsing, Schulfachliche Aufsicht, Bezirksregierung NRW „Als Zuständige für Integration, Inklusion und Ausbildungsvorbereitung an den Berufskollegs habe ich durch dieses Projekt viele Anregungen und wichtige Informationen erhalten. Bei einem intensiven Austausch habe ich sehr engagierte Kolleginnen und Kollegen erlebt, auch das nehme ich mit. In meiner Rolle als Schulaufsicht konnte ich wahrnehmen, dass der Ausbildungsvorbereitung ein ganz anderer Stellenwert zukommt. Dafür braucht jede Schule vermehrt die Unterstützung der Schulleitungen.“
v. l. n. r.: Simone Volgmann, Nina-Madeleine Peitz, Petra Frehe, Prof. Dr. H.-Hugo Kremer