Paderborner Peer Instruction

„Peer Instruction“ ist eine kooperative Lehr-/Lernmethode, die dazu geeignet ist auch in großen Auditorien den Einbezug der Studierenden – ähnlich dem Publikumsjoker bei „Wer wird Millionär“ – in eine Lehrveranstaltung mittels sogenannter Klicker zu ermöglichen und den Lernerfolg dadurch substantiell zu verbessern. Diese bislang nur in naturwissenschaftlichen Fächern verbreitete Methode wird in Paderborn heute bereits vereinzelt eingesetzt. Nicht zuletzt wegen der teuren Infrastruktur sowie der komplexen Software, hat sich die Methode trotz der zahlreichen didaktischen Vorteile in der Breite noch nicht durchgesetzt. Vor dem Hintergrund der flächendeckenden Verbreitung von Laptops und Smartphones bei den Studierenden ist es Ziel des fakultätsübergreifenden Projekts, eine web-basierte „Peer Instruction“-Anwendung inklusive mobiler Apps zu entwickeln. Als Anwendungsfälle werden bislang nicht erforschte „Peer Instruction“-Konzepte für Großveranstaltungen aus den Wirtschaftswissenschaften gestaltet und über einen mehrperspektivischen Ansatz evaluiert. Die Technologie sowie die entwickelten Lehr-/Lerndesigns sollen nach erfolgreicher Evaluation gemäß dem Leitbild der Universität der Informationsgesellschaft allen Lehrenden an der Universität - und weiteren Bildungseinrichtungen - unter dem Motto „Peer Instruction for very large Groups“ (PINGO) zur Verfügung gestellt werden.

Förderung: Das fakultätsübergreifende Gemeinschaftsprojekt wird durch die Kommission für Lehre, Studium und Qualitätsmanagement gefördert.

Projektlaufzeit: Dezember 2011 - August 2012

So wie Günther Jauch bei der Quizsendung „Wer wird Millionär“ die Zuschauer im Studio über den Publikumsjoker in das Quiz einbezieht, können Dozentinnen und Dozenten mit der Methode des „Peer Instruction“ (PI) ihre Studierenden aus der traditionell eher passiven Rolle herausholen und aktiv an der Vorlesung beteiligen. Die Entwicklung von PI wird vor allem dem in Harvard lehrenden Physiker Eric Mazur zugeschrieben, der diese seit mehr als 20 Jahren speziell für größere Einführungskurse in den Naturwissenschaften einsetzt und im Rahmen des sogenannten Galileo Projekt weiterentwickelt hat. PI hat sich seither an vielen angelsächsischen Universitäten und Colleges als Lehr-/Lernmethode etabliert. 

Studierende sind durch diese kooperative Lehr-/Lernmethode besser in der Lage neue Lehrinhalte zu reflektieren, zu interpretieren und mit bestehendem Wissen zu verknüpfen. Zudem werden durch PI die Problemlösungskompetenzen der Studierenden gefördert. Der typische Ablauf im Rahmen einer auf die PI-Methode ausgelegten Veranstaltung ist in der Abbildung dargestellt (in Anlehnung an Lasry 2008). Der Fokus liegt dabei nicht wie bei einer traditionellen Frontalveranstaltung auf der reinen Vermittlung des Stoffes. Stattdessen kommen die Studierenden bereits vorbereitet zur Veranstaltung und es steht die Klärung von Unklarheiten/Fragen, die Diskussion von schwierig verständlichen Konzepten und die Verknüpfung des Stoffes mit bereits Gelerntem im Vordergrund. Typischerweise folgt auf ein Impulsreferat der Dozentin bzw. des Dozenten eine Multiple- Choice-Frage. In Abhängigkeit von der Verteilung der Antworten wird entweder das Impulsreferat wiederholt und vertieft, es werden Gruppendiskussionen zwischen Studierenden (Nebensitzern) geführt und noch einmal neu abgestimmt oder es werden die noch verbliebenen Unklarheiten nach einer Diskussion im Plenum erläutert und anschließend eine neues Thema besprochen.

Die folgenden Hürden für den Einsatz von Peer Instruction in großen Gruppen in Veranstaltungen in den Wirtschaftswissenschaften können beobachtet werden:

  • Hoher Einmalaufwand für Anpassung Lehr-/Lernkonzept
  • Fehlende Fragenkataloge in den Wirtschaftswissenschaften
  • Laufender administrativer Aufwand für Klickernutzung
  • Kosten für physische Klicker und für Empfangsgerät
  • Installation & Konfiguration der Klicker-Software
  • Exklusive Nutzung der physischen Klicker

Um einige dieser bestehenden Hürden abzubauen/abzumildern, werden die beiden folgenden Projektziele verfolgt: 

  1. Etablierung von innovativer, hochqualitativer Lehre durch Entwicklung einer schlanken, sehr intuitiv bedienbaren, webbasierten Klicker-Anwendung
  2. Ausweitung der Anwendungsszenarien durch Entwicklung und Erprobung von Klicker-basierten Lehr-/Lernkonzepten für Einführungsveranstaltungen in den Wirtschaftswissenschaften mit hohen TeilnehmerInnenzahlen (> 1.000)

Im Projekt sollen sowohl die technologischen als auch die lehr-/lerntheoretischen Herausforderungen adressiert werden, die mit einer Umsetzung einer web-basierten Anwendung für den Einsatz in großen Gruppen verbunden sind. Das Anwendungsszenario sind dabei Veranstaltungen mit wirtschaftswissenschaftlichen Lehrinhalten.

Technischer AnspruchLehr-/Lerntheoretischer Anspruch
  • Anforderungsanalyse bei zukünftigen Nutzern
  • Sehr einfach zu nutzendes, Betriebssystem-unabhängiges System
  • Stimmabgabe auf vielen Geräten (Apps, mobiler & Desktop Browser)
  • (Sehr) lose Kopplung von Präsentationsmedium und Frageerzeugung
  • Autorisierung zur Nutzung
  • Annahme und Verarbeitung von >> 500 Antworten innerhalb einer Sekunde
  • Live-Analyse und Datenaufbereitung
  • Anpassung der Lehrmethode hinsichtlich der Entscheidungskriterien
  • Anzahl Durchläufe Spiralcurriculum / Effektabnutzung
  • Diskussionsaktivierung und -durchführung (Anregung von kooperativen Lernprozessen)
  • Anregung der Lehrenden zur Nachreflexion
  • Fragegestaltung (Schwierigkeitsgrad etc.)
  • Fragezeitpunkt

Prototypeinsatz

Prototypen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien wurden in den folgenden Lehrveranstaltungen getestet.

VeranstaltungSemesterTeilnehmer (ca.)Dozent
Grundzüge der WirtschaftsinformatikWS2011/2012500 + 300Kundisch
Grundlagen des InformationsmanagementsSS2012100Kundisch
Lehren und LernenSS2012250Beutner/Winther
Fachdidaktische KonzepteSS201220Magenheim

Mit Abschluss der ersten Projektphase wurde der Prototyp in den Markt eingeführt und als kostenloser, gehosteter Service für Bildungseinrichtungen weltweit zur Verfügung gestellt. Anfang Januar 2013 nutzten bereits Dozentinnen und Dozenten von weit mehr als 100 Bildungseinrichtungen das PINGO-System.