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DIE TEAMPLAYER

Teil der Reihe "Junge Forscher*innen im Porträt – Wege in die Wirtschaftswissenschaften"

Promovieren wollten beide nie. Heute aber haben Britta Hoyer und Nadja Stroh-Maraun ihren Doktortitel längst in der Tasche, den „Dean’s Young Scholar Research Award“ gewonnen – und Fuß gefasst in der internationalen Wissenschaft. Dabei half ihnen auch ihr Zusammenhalt: Die beiden Forscherinnen tauschen sich über Studien in der Spieltheorie genauso gerne aus wie über die Spiele des SC Paderborn.

Für ihre Freundschaft brauchten sie nur drei Stockwerke. So lange standen Britta Hoyer und Nadja Stroh-Maraun zusammen im Fahrstuhl, als sie ins Gespräch kamen. Zwar kannten sich die beiden schon flüchtig als Kolleginnen an der Universität Paderborn, doch sie  arbeiteten an verschiedenen Professuren der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Bei ihrer zufälligen Begegnung im Lift erzählte Hoyer von einer ihrer Aufgaben: Sie war als Postdoc zuständig für die Vergabe der Abschlussarbeiten an die verschiedenen Professor*innen. Doch die Aufteilung laufe nicht optimal, sagte sie zu Stroh-Maraun, damals Doktorandin an der Fakultät: Studierende könnten das System mit bewussten Falschaussagen leicht austricksen. Schnell kamen die Frauen ins Fachsimpeln, Ideen flogen hin und her – und kaum waren sie mit dem Fahrstuhl im Erdgeschoss angekommen, stand für beide fest: Das könnte ein interessantes Thema für eine Forschungsarbeit sein.

Heute, sieben Jahre später, sind Hoyer und Stroh-Maraun eng befreundet. Und aus der vagen Idee im Lift ist eine preisgekrönte Studie geworden. Denn ihre Datenanalyse liefert Erkenntnisse in einem Fachgebiet der Mikroökonomie, in dem Daten extrem rar sind: im sogenannten Matching. Dieses Spezialgebiet der Spieltheorie befasst sich mit der Frage, wie Angebot und Nachfrage zueinanderfinden, wenn es keine richtigen Preise gibt, aber stark unterschiedliche individuelle Präferenzen. „Der Heiratsmarkt ist ein beliebtes Beispiel für solch ein Modell“, erklärt Stroh-Maraun: Wie finden ledige Männer und Frauen zueinander? Das Prinzip lasse sich aber auch anderswo im Alltag finden, etwa bei der Schulwahl, auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Entscheidung über Organspenden. Nur selten entstehen bei diesen Prozessen aussagekräftige Daten – umso wertvoller waren jene der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften in Paderborn. Sie zeigen, dass Studierende mitunter strategisch lügen, wenn sie ihre Abschlussarbeit an einem bestimmten Lehrstuhl absolvieren wollen. So geben sie beispielsweise nicht ihre wahre Erstwahl an, aus Angst abgelehnt zu werden. Da sie die Popularität der Professuren dabei aber oft falsch einschätzen, sorgen sie somit selbst dafür, dass sie nicht zu ihrem Wunschlehrstuhl kommen.Drei Viertel aller Studierenden erklärten in der Befragung durch Stroh-Maraun und Hoyer, derart falsche Präferenzen anzugeben. „Doch natürlich geht diese Strategie nur selten auf, stattdessen werden Studierende an Professuren verwiesen, zu denen sie in Wahrheit gar nicht wollen – nehmen dort aber den tatsächlich Interessierten den Platz weg“, erläutert Hoyer das Dilemma.

Fünf Jahre lang arbeitet sie gemeinsam mit Stroh-Maraun die Daten auf. Eine Phase, in der die beiden Frauen schnell feststellen, dass sie auch menschlich gut zueinander passen. Sie haben Spaß miteinander, sowohl beim Forschen als auch nach Feierabend. Gemeinsam besuchen sie zum Beispiel die Spiele des SC Paderborn. Reisen sie zu Konferenzen, besichtigen sie in den Pausen gerne zusammen die gastgebende Stadt oder gehen auf Geocaching-Tour – ein Hobby von Hoyer.

Beim Schreiben sei Stroh-Maraun die Peniblere von ihnen beiden, erzählt das Wissenschaftsduo: Sie prüfe die mathematischen Formulierungen bis ins letzte Detail, bevor sie zufrieden sei.  Hoyer dagegen entwerfe gerne immer neue Beispiele für eine These – stelle Erkenntnisse aber genauso oft auch radikal in Frage. „Unsere unterschiedlichen Stärken ergeben zusammen eine sehr gute Mischung für intensive Forschung“, sagt Hoyer. Und auch emotional unterstützen sie einander: Wenn die eine mal frustriert hinschmeißen will, baut die andere sie wieder auf. „Allein die Einleitung unserer Studie haben wir zehn Mal umgeschrieben“, erinnert sich Stroh-Maraun heute zurück.

Doch schließlich kommt der Punkt, an dem sie Feedback von außen brauchen. Aus einer Laune heraus reichen die beiden Forscherinnen ihre Arbeit bei Games and Economic Behavior ein, der international führenden Zeitschrift für Spieltheorie. Nur wenigen deutschen Fachleuten gelang es bislang, dort eine Veröffentlichung zu platzieren. Auch der Aufsatz von Hoyer und Stroh-Maraun wird zunächst nicht angenommen. Doch die Wissenschaftlerinnen überarbeiten ihn, reichen ihn erneut ein – und erhalten kurz darauf, im April 2020, die Zusage für einen Abdruck. „Wir haben mit Sekt gefeiert, allerdings per Videomeeting – wegen Corona saßen wir ja im ersten Lockdown zuhause“, so Stroh-Maraun. Drei Monate später wird den Forscherinnen dann auch noch der Dean’s Young Scholar Research Award der Fakultät verliehen – als Anerkennung ihrer außergewöhnlichen Leistung.

Manchmal staunen die zwei Preisträgerinnen wohl selbst über ihre akademischen Erfolge. Denn so geplant waren sie nicht: Beide Frauen wollten ursprünglich auf keinen Fall promovieren, gestehen sie heute lachend. Hoyer ist sogar eher zufällig in den Wirtschaftswissenschaften gelandet: „Anfangs wollte ich noch Lehrerin werden und habe dafür Anglistik und Romanistik studiert – die Wirtschaft kam nur dazu, weil ich das Fach in einer interessanten Kombination in Utrecht studieren konnte.“ Dort aber fing die heute 37-Jährige Feuer für die Volkswirtschaft. Und als ihr die Hochschule in Holland 2008 dann auch noch eine Stelle als Doktorandin anbot, sagte sie nach kurzem Zögern zu. Vier Jahre später wechselte sie als Postdoc nach Paderborn.

Stroh-Maraun dagegen ahnte schon früh, dass ihr die Wirtschaftswissenschaften liegen würden: In der Schule war Mathe ihr Lieblingsfach, außerdem engagierte sie sich bereits damals politisch – da habe die Wahl des Studienfaches nahegelegen, so die 32-Jährige. Vor dem Schritt in die Promotion aber zögerte sie: „Ich hatte ein völlig falsches Bild von dieser Phase und sah mich einsam in meinem Kämmerlein vor mich hinforschen. Dabei ist man von Anfang an eingebunden in ein ganzes Team aus Forscher*innen, knüpft internationale Kontakte und wird eingeladen, an interessanten Projekten mitzuarbeiten.“

Gerade die Begegnungen auf Konferenzen seien wertvoll, erzählen die Forscherinnen: Dort hätten sie schon nett beim Drink mit Nobelpreisträgern geplauscht oder aber festgestellt, dass auch mancher Koryphäe ihres Fachgebiets mal ein Vortrag misslingt. Studierenden mit Interesse an einer Dissertation raten die beiden deshalb dringend: „Wer sich fürs Forschen und ein Thema begeistern kann, dem eröffnet eine Promotion eine tolle Zeit mit Gleichgesinnten.“

Wichtig sei allerdings, einen Plan B in der Tasche zu haben. „Viele versteifen sich auf die Idee, nach der Dissertation eine Karriere an der Uni starten zu wollen. Fakt ist aber, dass dieser Schritt nur zehn Prozent aller Doktorand*innen gelingt. Ein Wechsel in die Wirtschaft oder in andere Organisationen ist aber kein Scheitern: Wer mit einem Doktortitel die Uni verlässt, hat wahnsinnig viel gelernt, was anderswo genauso wertvoll angewendet werden kann.“

Die Forscherinnen selbst aber arbeiten derzeit noch immer im akademischen Betrieb: Hoyer an der Universität Tübingen, wo sie seit kurzem die Postdocs betreut und parallel ihren MBA absolviert. Stroh-Maraun hat eine Postdoc-Stelle an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften ergattert. Daneben forschen die beiden aber weiterhin gemeinsam: Zu ihrer preisgekrönten Datenanalyse entwerfen sie nun auch ein Theoriepapier.

Und selbstverständlich sitzen sie auch schon an einem weiteren Matchingproblem, diesmal gemeinsam mit der Stadt Paderborn und einem größeren  Team: Sie untersuchen die Verteilung von begehrten Kitaplätzen an verzweifelt suchende Eltern. Auch wenn sie mittlerweile in verschiedenen Städten leben: Den Kontakt zueinander verlieren sie also nicht –als Kolleginnen und Freundinnen.

Text: Jenny Niederstadt

Als zentrale Dachorganisation für Promovierende, Postdocs und Juniorprofessor*innen der Universität Paderborn stellt das Jenny Aloni Center zielgruppenspezifische Informationen, Qualifizierungs- und Beratungsangebote bereit.

Gemeinsam mit den Graduiertenzentren der Fakultäten unterstützt Sie das Jenny Aloni Center bestmöglich auf dem Weg zu einer Karriere in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.

„Wer sich fürs Forschen und ein Thema begeistern kann, dem eröffnet eine Promotion eine tolle Zeit mit Gleichgesinnten.“

In unserer Porträtreihe verraten Promovenden, Post-Docs und Juniorprofessor*innen, was sie zur Wissenschaft geführt hat, welche Hürden sie auf dem Weg zu ihren Qualifikationszielen überwinden müssen und was sie besonders an den Wirtschaftswissenschaften begeistert.


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