Tag der Wissenschaften 2014

<link http: ssrn.com abstract="2253867" _blank external-link-new-window file>Hier finden Sie das Forschungspapier zum Experiment am  Tag der offenen Tür.

Wie im Jahre 2010 war das BaER-Lab auch in diesem Jahr am Tag der Wissenschaften in der Paderborner Innenstadt mit einem eigenen Stand vertreten und ermöglichte Besuchern und Interessierten an einem wissenschaftlichen Experiment teilzunehmen.

Passend zum Thema „Wasser“, bestand das Forschungsziel am Tag der Wissenschaften darin, Mechanismen der Selbsttäuschung als möglichen Erklärungsansatz für ethisch fragwürdiges Handeln bei der Wassernutzung zu untersuchen. Laut einer Studie der Weltbank (The World Bank, 2014)  entnehmen beispielsweise private Wasserversorgungsunternehmen  in bestimmten Regionen Indiens mehr Wasser aus bestehenden Grundwasserleitern für die Trinkwasseraufbereitung und der Produktion von Industriegütern als gesetzlich erlaubt ist. Die Auswirkungen dieses Handelns sind überaus bedeutsam, da in diesen Regionen die Wasserversorgung ausschließlich aus dem Grundwasser und nicht durch Oberflächenwasser geschöpft wird und somit für die dortige Bevölkerung das Wasser für die eigene Versorgung und Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung steht (Gleeson et al., 2012).

Befunde aus dem Bereich der „behavioral ethics“ (Bazerman et al., 2012), die zumeist auf psychologischen Experimenten beruhen, legen nahe, dass unmoralische oder unethische Taten durch bestimmte kognitive Mechanismen gegenüber sich selbst gerechtfertigt werden können (von Hippel und Trivers, 2011). Im oben geschilderten Fall können private Wasserversorgungsunternehmen ihre Handlung damit rechtfertigen, die Übernutzung der Grundwasserspeicher nicht bewusst vorgenommen zu haben. Genaugenommen, wird auf die verfügbaren Menge von dem für die Trinkwasseraufbereitung unwichtigen Oberflächenwassers verwiesen, die bei der Übernutzung des Grundwassers nahezu konstant bleibt, so dass der Eindruck einer angemessenen Nutzung der Grundwasservorräte entsteht und über die entstehende Verknappung der Wasserressourcen hinweggetäuscht wird.

Um den Einfluss dieser Selbsttäuschung auf den Entscheidungsprozess zur Wasserentnahme zu untersuchen, wurde ein ökonomisches 2-Personen Experiment entwickelt. Die reale Wassersituation wurde durch Behälter mit weißen Murmeln (Grundwasser) und blauen Murmeln (Oberflächenwasser) repräsentiert. Die zwei Behälter beinhalteten dabei eine  unterschiedlich hohe Anzahl an weißen Murmeln. Beide Spieler durften zeitlich und räumlich getrennt voneinander aus einem dieser Behälter eine Murmel ziehen, wobei der Zug einer weißen Murmel zur Teilnahme an einer stündlichen Tombola für Spieler 1 und einer Tombola für Spieler 2 berechtigte, bei der es möglich war einen Sachgutschein von jeweils 50 Euro zu gewinnen. Spieler 1 konnte durch seine Wahl des Behälters bestimmen, aus welchem Behälter Spieler 2 die Murmel ziehen durfte. Wenn der Behälter mit mehr weißen Murmeln gewählt wurde, durfte Spieler 2 nur aus einem Behälter mit weniger weißen Murmeln ziehen. Wenn der Spieler 1 jedoch den Behälter mit weniger weißen Murmeln gewählt hatte, hatten sowohl Spieler 1 als auch Spieler 2 die gleiche Gewinnchance eine weiße Murmel zu ziehen.

In einer Variation des Experiments wurde vor den Behältern von Spieler 1 jeweils ein Vorschaukasten platziert, der eine genau umgekehrte Murmelverteilung zu den Behältern enthielt. Somit wurde dem Spieler 1 die Möglichkeit gegeben, mit der für ihn vorteilhaften Wahl des Behälters mit mehr weißen Murmeln, die Gewinnchance des Spielers 2 deutlich zu mindern. Spieler 1 konnte sich dabei vorlügen, dass er oder sie sich nur von der Verteilung der Vorschaukästen habe verleiten lassen (obwohl er eigentlich dem Spieler 2 gar nicht Schaden wollte).

Unabhängig von der Entscheidung von Spieler 1 musste Spieler 2 vor dem Zug der Murmel an einem Ratespiel teilnehmen. Vor zwei verdeckten Behältern wurden ebenfalls zwei Vorschaukästen mit einer höheren und niedrigeren Anzahl von weißen Murmeln platziert. Die Murmelverteilung in den Vorschaukästen war dabei komplett unabhängig von der Murmelverteilung in den Behältern. Spieler 2 wurde dann gebeten, zu raten, in welchem der verdeckten Behälter sich mehr weiße Murmeln befinden. Wenn Spieler 2 richtig geraten hatte, erhielt er oder sie als Belohnung einen Schokoladenriegel. Mit dieser Entscheidungssituation wurde der sogenannte „Ankereffekt“ (Wilson et al., 1996) untersucht, bei dem Menschen verstärkt Informationen nutzen, die irrelevant für die eigentliche Entscheidung sind. Angewendet auf das Experiment wurde untersucht, ob die Spieler 2 verstärkt den Behälter mit dem Vorschaukasten auswählen, der mehr weiße Murmeln enthielt, obwohl die Murmelverteilung der Vorschaukästen in keinem Zusammenhang mit der Murmelverteilung der Behälter steht. 

Die Ergebnisse der Spieler 1 und Spieler 2 Entscheidungen werden derzeit ausgewertet und im Laufe des nächsten Jahres im Rahmen einer Publikation öffentlich zugänglich gemacht.

Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen Teilnehmern fürs Mitmachen und gratulieren allen Gewinnern, die bei der Verlosung die Sachgutscheine im Wert von jeweils 50 Euro bekommen haben.

Zitierte Quellen:

Bazerman, M. H. und Gino, F. (2012): Behavioral ethics: Toward a deeper understanding of moral judgment and dishonesty. In: Annual Review of Law and Social Science, Vol. 8: 85-104.

Gleeson, T., Wada, Y., Bierkens, M.F.P. und van Beek, L.P.H. (2012): Water balance of global aquifers revealed by groundwater footprint. In: Nature, Vol. 488: 197-200.

The World Bank: Deep Walls and Prudence: Towards Pragmatic Action for Addressing Groundwater Overexploitation in India. In:  <link http: documents.worldbank.org curated en deep-wells-prudence-towards-pragmatic-action-addressing-groundwater-overexploitation-india>documents.worldbank.org/curated/en/2010/01/11899840/deep-wells-prudence-towards-pragmatic-action-addressing-groundwater-overexploitation-india vom 28.06.2014.

von Hippel, W. und Trivers, R. (2011): The evolution and psychology of self-deception. In: Behavioral and Brain Sciences, Vol. 34: 1-56.

Wilson, T.D., Houston, C.E., Etling, K.M. und Brekke, N. (1996): A New Look at Anchoring Effects: Basic Anchoring and Its Antecedents. In: Journal of Experimental Psychology: General, Vol. 125: 387-402.